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„Heimreise“ in den Osten

Hallo zusammen,

wir sind wieder unterwegs. Allerheiligen liegt so, dass ich mit den letzten zusammengekratzten Urlaubstagen ein langes Wochenende möglich machen kann. Anlass ist diesmal der Einbau einer besonderen Wegfahrsperre, von der ich durch Youtube erfahren habe, und die es in der Nähe von Meißen gibt. Aber „nur“ für ein technisches Upgrade diese lange Reise zu unternehmen, wäre ja schade.

Zum Glück gibt noch mehr gute Gründe. Im Kroatienurlaub lernten wir besondere Menschen aus Pirna kennen, die wir vielleicht treffen können und Brittas Mama ist in Görlitz geboren und hat noch zu DDR Zeiten „rübergemacht“. Und so finden wir vielleicht ein paar Erinnerungen in Görlitz, die Britta aus der Kindheit mitbringt.

Wir starten am Freitagnachmittag, kurz vor 15:00 Uhr. Ich habe noch eine Telefonkonferenz, die ich aus dem Auto wahrnehme. Bisschen ruckelig ist das, und ich muss immer wieder vorn rausschauen, damit mir nicht schlecht wird. Leider ist Ferienende irgendwo, es regnet, es ereignen sich Unfälle … so schaffen wir in den ersten 4 Stunden gerade mal 250 Kilometer. Als wir fahrerwechseln wird die Straße freier und wir fahren noch eine gute Stunde bis zum Übernachtungsplatz. Diesen finden wir bei einem Wohnmobilhändler in der Nähe von Lutherstadt Eisleben.

Samstag, 28.10.2023

Nach einer ruhigen Nacht frühstücken wir gemütlich und legen die letzten 175 Kilometer bis zur Einbaustätte der Wegfahrsperre zurück. Das geht dort in angemessener Zeit vonstatten, sodass wir anschließend noch nach Meißen fahren, um das Städtchen zu erkunden.

Unseren Stellplatz finden wir an der Hochuferstraße, direkt an der Elbe. Von dort sind es nur ein paar Minuten in die Altstadt, die mit ihren schön hergerichteten, alten Gebäuden sehr hübsch anzuschauen ist.

Aber „natürlich“ führt uns unser Weg in die Meißener Porzellanmanufaktur, schließlich ist sie die Geburtsstätte des deutschen Porzellans. In Meißen steht somit nicht nur die älteste Produktionsstätte, die Rezeptur für das Porzellan aus heimischen Materialien wurde hier gefunden. Und, das hätte ich vorher nicht gedacht, jedes (!) einzelne Stück wird handbemalt. Die Stücke werden traditionell von Hand gedreht, gepresst, nachbearbeitet und zusammengesetzt. Letzteres bei den figürlichen Objekten.

Jetzt wird es hart, ich zeige alles 🙂

Traditionell mit dem Fuß angetrieben
Traditionell mit dem Fuß angetrieben

 

Der Gnubbel oben wird abgeschnitten ...
Der Gnubbel oben wird abgeschnitten …
... in die Form gedreht und oben glatt abgeschnitten.
… in die Form gedreht und oben glatt abgeschnitten.
Unten das ist die fertige Tasse. Das Köpfchen ist in einer Form gepresst, der Pressgrat wird später von Hand entfernt.
Unten das ist die fertige Tasse. Das Köpfchen ist in einer Form gepresst, der Pressgrat wird später von Hand entfernt.

Auf dem nächsten Bild sieht man, dass die Rohmasse beim Brennen ca. 16% an Masse verliert.

Vorn die Einzelteile, die zur Figur werden. Links die Rohmasse, rechts gebrannt, im Hintergrund fertig bemalt
Vorn die Einzelteile, die zur Figur werden. Links die Rohmasse, rechts gebrannt, im Hintergrund fertig bemalt
Die händische Feinarbeit vor dem Verkleben der Einzelteile
Die händische Feinarbeit vor dem Verkleben der Einzelteile
Das Muster wird mit einer Schablone und Kohlepulver aufgedruckt und anschließend von Hand bemalt
Das Muster wird mit einer Schablone und Kohlepulver aufgedruckt und anschließend von Hand aufgemalt
Und dann, wieder von Hand, farbig bemalt. Eine Farbe nach der anderen...
Und dann, wieder von Hand, farbig bemalt. Eine Farbe nach der anderen…

Nach der Schauwerkstatt geht es in die Museums- und Verkaufsräume. Die ganze Geschichte des Meißener Porzellans wird in schrechklich kitschigen bis zu abstrakten oder modernen Figuren und Formen vorgestellt. Aber, egal wie kitschig: die faszinierende Handarbeit wird in jedem Stück sichtbar.

Übrigens, die Dame im oberen Bild erklärte uns die Widerstandsfähigkeit des Materials und der Lasur, das sei absolut alltagstauglich und sogar spülmaschinengeeignet.

Eine neue Tasse für den Drösel? Nope ... :) Nicht unsere Preisklasse
Eine neue Tasse für den Drösel? Nope … 🙂 Nicht unsere Preisklasse
Porzellan in modern.
Porzellan in modern.
Porzellan in ... kitschig?
Porzellan in … kitschig?

 

 

Porzellan in skurril
Porzellan in skurril
Flötentöne in Porzellan
Flötentöne in Porzellan
Auch lustige Figuren gibt es
Auch lustige Figuren gibt es

Oder wir wäre es mit einer kompletten Orgel?
Oder wir wäre es mit einer kompletten Orgel?

Aus unserer Sicht lohnt der Besuch absolut – 12 Euro pro Person müssen wir dafür berappen.

Auf dem Rückweg essen wir noch lecker im Ratskeller, bevor wir müde in die Betten fallen.

Sonntag, 29.10.2023

Wir wollen Görlitz nicht am Sonntag machen, deshalb nehmen wir Bautzen auf halber Strecke als nächste Etappe. Hier wollen wir die Gedenkstätte Bautzen II ansehen. Ein Gefängnis, das sowohl den Nazis als auch der Stasi diente. Letztere brachte hier vor allem „Staatsfeinde“ unter.

Aber erst erobern wir auch hier die Altstadt, die ebenfalls schön renoviert daherkommt und viel ehrwürdige Geschichte erzählt.

Bautzenpanorama
Bautzenpanorama
Die Meile
Die Meile
Kaufanreize
Kaufanreize

In der sehr empfehlenswerten „Bautzener Senfstube“ essen wir Feuerfleisch, ein Gericht der ehemaligen DDR und einen Schweinebraten, der Britta sehr an die Kochkunst ihrer Mutter erinnert und damit ein Stück „Heimat“ nahebringt. Ein emotionaler Moment.

Traditionelle Gerichte lecker zubereitet
Traditionelle Gerichte lecker zubereitet

Im Gefängnis nehmen wir an einer Führung teil. Wir sehen alte Transportfahrzeuge, realitätsnah nachgebildete Zellen und die gesamte Architektur. Der Erzähler nimmt uns anhand echter Schicksale verstorbener und noch lebender Insassen sehr authentisch mit auf die Reise in die Vergangenheit. Interessant ist aber auch die Kritik Überlebender, die Gedenkstätte sei viel zu „weich gewaschen“ dargestellt. Man solle doch den Gestank von Urin, Kot, Schweiß und Tränen vermitteln, es werde nicht im Ansatz klar, wie schrecklich es in Wahrheit gewesen sei. Aber, so der Guide, man wolle ja auch die interessierten Besucher auch nicht traumatisieren. Schwierige Geschichte.

Die "Himmelsleiter" - geht über alle Etagen
Die „Himmelsleiter“ – geht über alle Etagen
Knast auf 4 Etagen
Knast auf 4 Etagen
Einzelzelle
Einzelzelle

Die Eindrücke klingen nach und wir machen uns auf den Weg zurück zum Drösel. Seltsam früh wird es dunkel … ach ja: Zeitumstellung 🙂

Abschiedsbeleuchtung
Abschiedsbeleuchtung

 

Montag, 30.10.2023

Der Tag beginnt etwas rummelig, auf dem Parkplatz startet früh der Verkehr. Monteurtrupps treffen sich, Reisende treffen auf Reisebusse. So stehen wir auf, trinken Kaffee und frühstücken, bevor wir nach Görlitz aufbrechen.

Auf dem Weg dorthin machen wir noch einen Abstecher zum „Gelben Elend“, der heute noch aktiven JVA. Wir besuchen die Gedenkstätte auf dem Karnickelberg, wo die vielen namenlosen Toten verscharrt wurden, die in den Gefängnissen umgekommen sind.

In Görlitz angekommen besuchen wir einige Erinnerungsorte: das Geburtshaus von Brittas Mama, die Wohnung ihrer Großeltern, das Krematorium, von dem Brittas Opa immer Schauergeschichten erzählt hat. Und wir kommen mit vielen Menschen ins Gespräch, eine Frau kannte noch die Großeltern… viele sehr emotionale Momente.

Anschließend finden wir einen privaten Stellplatz in der Stadt, von dem aus wir in 20 Minuten mit der Straßenbahn in die Altstadt fahren.

Das Görlitzer Rathaus
Das Görlitzer Rathaus

Wir tingeln durch die Straßen dieser schönen Altstadt, laufen runter zur Neiße und gehen über die Brücke nach Polen.

Grenzübergang mit der einen oder anderen Kamera ...
Grenzübergang mit der einen oder anderen Kamera …
Die Neiße als Grenze zu Polen
Die Neiße als Grenze zu Polen

Die Thüringer Bratwurst sollen wir gemäß Empfehlung im Senfladen essen. Das tun wir, sind davon aber nur mäßig begeistert.

Die Thüringer Bratwurst vom Senfladen
Die Thüringer Bratwurst vom Senfladen

Anschließend tingeln wir noch weiter rund, bis wir am späteren Nachmittag auf der Suche nach einem Mitbringsel in einem Geschäft landen, das neben diversen Kunstgegenständen und Geschirr auch schlesische Speisen und Kuchen serviert. Hier fällen wir die schwere Entscheidung zwischen Kuchen und Bigos – zugunsten von Bigos. Sehr lecker. Wir kommen intensiv mit der Chefin in Kontakt, die kocht, kellnert, die Waren aussucht, und sich als besonderer Mensch herausstellt. Verrückt, wer und was uns heute alles begegnet.

Als es wieder so unnatürlich früh dunkel wird, suchen und finden wir die Straßenbahn zurück zum Drösel.

Dienstag, 31.10.2023

Heute ist Reformationstag, deshalb wollen wir unseren Stellplatzbetreiber nicht aus dem Bett klingeln. Wir packen das Geld in eine Tüte, dazu einen Zettel und werfen die ganze Chose in den Briefkasten. Wird schon OK sein. Anschließend setzen wir die Segel in Richtung Goslar. Das sei ein hübsches Städtchen im Harz und hat einen öffentlichen Stellplatz – kostenlos. Wernigerode oder Quedlinburg standen auch zur Debatte, aber die wollen schlappe 20 Euronen für – nichts. Da es uns eigentlich nur um einen Zwischenstopp geht, um nicht die ganze Rückreise an einem Stück zu machen, ist „kostenlos“ das Zünglein an der Waage.

Das Wetter ist während der knapp 400 Kilometer wunderbar herbstlich sonnig und lässt das Herbstlaub überall in satten Farben strahlen. In Goslar selbst ist es dann allerdings eher trüb, aber das macht nichts. Der Stellplatz ist gut besucht, aber groß, wir finden unser Plätzchen. Nach einer Stärkung und einer Dusche suchen wir das Stadtzentrum auf. Goslar wurde nicht vom Krieg beschädigt, deshalb ist der Stadtkern gut erhalten und die vielen Fachwerkhäuser sind farbenfroh restauriert.

An der Marktkirche warten wir mit einem leckeren Eis auf die Bimmelbahn, die uns auf einer kleinen Rundreise in 35 Minuten Wissenswertes vermittelt.

 

 

 

 

Die Marktkirche mit unterschiedlichen Türmen
Die Marktkirche mit unterschiedlichen Türmen 
Wo ist das Kreuz?
Wo ist das Kreuz?
Stadtrundfahrt mit der Bimmelbahn
Stadtrundfahrt mit der Bimmelbahn

In der Milchhenne essen wir zu Abend und beschließen so den letzten Tag dieses Kurztrips. Für morgen ist kein Programm geplant, wir tingeln einfach nach hause 🙂

 

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